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Kajakschnupperkurs aus Sicht einer Teilnehmerin

Text von Kerstin Peters, Bilder von Martin Thyssen

Dem Wasser ganz nah – ein Kanukurs aus einer anderen Sicht

Mit anderen zusammen oder alleine unterwegs sein, sich sportlich betätigen, die Natur mal aus einem anderen Blickwinkel wahrnehmen, Action und Nervenkitzel – beim Kanufahren kann man gleich alles haben. Ganz davon abgesehen ist Kanufahren auch ein Sport, den Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam miteinander ausüben können – zumindest dann, wenn es sich bei der Behinderung, wie in meinem Fall, um die Blindheit handelt. Kanu ist also ein sehr vielseitiger Sport – und einen diesbezüglichen Anfang machte eine kleine Gruppe Interessierter am Wochenende um den 13./14.04.2019 in und um Rappenwört.

Samstag, 13.04., 10.00 Uhr, Bootshaus des Ski-Club Karlsruhe. So ganz konnte ich noch nicht einschätzen, was da auf mich zukommen würde. Wie gut, dass man durch eine Vorstellungsrunde und eine Erläuterung des Kursablaufs schnell Klarheit bekam. Der Vormittag war gespickt mit Theorie, was aber keineswegs langweilig war: Was ist der Unterschied zwischen einem Kajak und einem Kanadier? Welche Sportarten können mit einem Kajak betrieben werden? Was sollte man bei Ausfahrten dabei haben (Erste-Hilfe-Kasten, Handy, Messer etc)? Welches Equipment (Paddel, Schwimmweste etc) benötigt man? Welche Gefahren (Gewitter, Wehre etc) gibt es? Was müssen wir hinsichtlich des Naturschutzes beachten, wenn wir auf dem Wasser sind? Und wie sieht es mit den rechtlichen Regelungen aus? Das Ganze wurde durch eine Präsentation mit vielen Bildern veranschaulicht, wobei die Bilder sehr gut beschrieben wurden, weshalb ich problemlos folgen konnte. Bevor wir uns bei leckerem Essen in der Vereinsgaststätte des Ski-Clubs besser kennenlernen konnten, kamen wir – noch auf dem Trockenen – erstmals mit Boot und Equipment in Kontakt. An dieser Stelle sei bemerkt, dass es für mich nicht ganz der erste Kontakt war. Zum einen kennt nahezu jede sehende Person das Aussehen eines Kajaks von Bildern oder aus dem Fernsehen und zum  anderen ist den Sehenden sofort klar, wo und wie man im Boot sitzt, wie man die Schwimmweste anzieht etc. Ich als Blinde muss alles mit meinen Fingern ertasten und vieles, was für Sehende selbsterklärend ist, erklärt bekommen, weshalb diese Kennenlernphase in meinem Fall viel mehr Zeit in Anspruch nahm. An dieser Stelle vielen Dank für den dafür vorab investierten Nachmittag!

Gut gesättigt ging es dann aufs Wasser. Während die anderen Teilnehmenden in ein Einzel-Kajak stiegen, übte ich in einem Zweier-Kajak. Das Zweier-Kajak ist nicht zwingend erforderlich, denn man kann blind auch problemlos in einem Einzel-Kajak fahren, wenn die anderen in Hörweite bleiben, jedoch hat das Zweier-Kajak in der Anfangsphase große Vorteile. So machte der Kursleiter Grundschlag, Bogenschlag, Ziehschlag etc vor und die Teilnehmenden schauten ihm dabei zu und konnten die Techniken recht leicht übernehmen. Ich hingegen brauchte eine viel konkretere Ansprache, die mir durch Worte oder auch mal durch Handführung erfahrbar macht, was zu tun ist. Das fängt schon damit an, wie das Paddelblatt ins Wasser getaucht werden muss. Mit der Zeit bekommt man durch den Wasserwiderstand zwar ein taktiles Feedback darüber, ob es passt oder ob man das Paddel noch etwas drehen sollte, bis man aber dieses Gefühl hat, braucht man diesbezügliche Hinweise. Um den sehenden Mitfahrer dahingehend etwas zu entlasten, haben wir am Griff des Paddels ein Holzstück mit Klebeband als Markierung angebracht. Wenn das Holzstück in Fahrtrichtung zeigte, stimmte die Position des Paddelblatts. So konnte ich mir schnell einprägen, wie sich das Paddelblatt im Wasser anfühlen muss beziehungsweise wie nicht. Bei unserer Paddel-Einheit am Samstagnachmittag hielten wir uns ausschließlich auf dem Altrhein auf, um besagte Paddelschläge einzustudieren. Da auch einige langjährige Vereinsmitglieder mit von der Partie waren, bekamen alle Anfänger/innen viele individuelle Tipps und Hinweise. Zwar war die Außentemperatur mit unter zehn Grad nicht sehr warm, aber es machte trotzdem sehr viel Spaß – und es ist niemand ins Wasser gefallen.

Am Sonntagmorgen fuhren wir direkt mit den Booten los. Thematisch drehte sich heute alles um die Fahrt auf dem Fluss: Welche Verkehrsregeln gelten? Worauf muss man aufpassen? Und welche Strömungsformen gibt es? Um den Umgang mit diesen Strömungen zu erlernen, nutzten wir die leichte Strömung des Altrheins kurz vor der Rheindurchfahrt. Die Strömung war eine sehr spannende Erfahrung für mich, weil man sie über das Paddel ziemlich gut spüren kann. Gleichzeitig schätzt man als Blinde Gegebenheiten manchmal ganz anders ein als die Sehenden: Wir waren gerade eifrig am Paddeln, als ich ziemlich zentral vor uns ein Rauschen hörte, was von meinen Ohren als Gefahr aufgefasst wurde, obwohl in Wahrheit nur eine Buhne, die man gut überpaddeln kann, dafür verantwortlich war. Nach einer ausgiebigen Übungs- und Experimentierphase planten wir bei einem Picknick das weitere Vorgehen: Wir wollten den „Ernstfall“ wagen und ein bisschen auf dem Rhein fahren. Hier kamen Regeln wie „Immer das Boot so drehen, dass die Wellen von vorne darauf treffen“ direkt zur Anwendung und es war ganz schön anstrengend, gegen die Strömung anzukommen. Trotzdem hört sich „Wir fahren auf dem Rhein“ deutlich gefährlicher an, als es tatsächlich war, denn mit den erworbenen Kenntnissen kam man da ziemlich problemlos voran – und auch wenn man durchaus mehr Kraft und Konzentration als auf dem doch wesentlich ruhigeren Altrhein brauchte: Dafür war der Rückweg umso entspannter. Es war schön, sich vom Wasser treiben zu lassen, und die Vögel hören sich vom Wasser aus ganz anders an als vom Land aus. Bevor wir die Boote sauber machten und im Bootshaus verräumten, wurde noch eine Runde Kanu-Polo gespielt, indem zwei Körbe auf dem Wasser befestigt und zwei Teams gebildet wurden, die einen Ball idealerweise ins gegnerische Tor befördern mussten. Das machte allen viel Spaß, ganz davon abgesehen, dass die Paddeltechnik hierbei weiter gefestigt wurde.

Ein Kanu-Einstiegskurs lohnt sich in jedem Fall. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist mehr als super, die Inhalte sind sehr praxisorientiert, es gibt viele Möglichkeiten, um eigene Erfahrungen zu sammeln und eine lockere Atmosphäre sorgt für ein sehr harmonisches Miteinander. Die allermeisten Kursteilnehmer/innen möchten zukünftig im Verein regelmäßig paddeln, manche im Touring-, manche im Wildwasserbereich. Mein persönliches Ziel ist es, bald im Einzel-Kajak möglichst selbstständig die Gewässer rund um Rappenwört (und vielleicht auch mal woanders) unsicher zu machen.

Vielen Dank an alle, die ihre Freizeit investieren, um anderen den Kanusport näher zu bringen – und wenn Sie noch nicht aktiv sind und nun Lust auf Paddeln haben: Es gibt dieses Jahr noch drei weitere Einstiegskurse!